Mittwoch, 22. April 2009

In der Krise rückt die EU zusammen

Jahrelange Meinungsverschiedenheiten der 27 EU-Länder scheinen plötzlich wie weggezaubert – die Finanzkrise und mögliche Lösungsansätze lassen die EU zusammenrücken. Ein historisch bedeutender Schritt? Denn die USA als bisher großes Vorbild in finanziellen Fragen haben für die EU scheinbar ausgedient.

Foto: Cathrine/Flickr CC-Lizenz

Der britische Premierminister Gordon Brown brachte es nach dem EU-Gipfeltreffen in Brüssel am 19./20. März 2009 auf den Punkt: „Europe must lead – Europa muss führen!“ Der Gipfel galt den 27 EU-Staats- und Regierungschefs sozusagen als „Generalprobe“ für den Weltfinanzgipfel in London am zweiten April. Dort wollen wiederum die G-20 Staaten über ein weiteres Vorgehen zur Lösung der weltweiten Finanzkrise beraten.

In Brüssel herrschte ein deutlicher Konsens unter den Staats- und Regierungschefs der EU: „Die Krisenbekämpfung der USA ist kein Modell für Europa.“ Zu hoch seien die rund 1,3 Billionen Dollar (das sind 800 Milliarden Euro) an Subventionen die die USA zur Bekämpfung der Rezension in die Märkte pumpen wollen. Viele Finanzexperten sehen in diesem Geldpaket eine enorme Inflationsgefahr. Die EU will zwar auch viel Geld einsetzen, geht aber deutlich gemäßigter vor. Zum Internationalen Währungsfond (IWF) will die EU 75 Milliarden Euro beisteuern, der Fond gilt als Notreserve der bei unter anderem bei Firmenpleiten helfen soll. Unter bestimmten Bedingungen können auch Staaten, die in finanziellen Schwierigkeiten sind beim IWF einen befristeten Kredit beantragen. Dies könnte durchaus in den nächsten Jahren vorkommen, wo durch der IWF noch wichtiger geworden ist.

Des Weiteren wird es ein erstes, so genanntes „Gesamt-EU-Paket“ geben. Fünf Milliarden Euro investiert die EU zusätzlich zu eigenen nationalen Konjunkturpakten der Länder in die Umsetzung von Energieprojekten und Erschließungsprojekten für ländliche Gebiete. Dies soll auch zur Prävention für weitere Krisen beitragen. Von Staatsbankrott bedrohte EU Staaten sollen darüber hinaus „Notfallkredite“ erhalten. Eventuell betreffen dürfte dies in erster Linie einige ärmere osteuropäische Staaten wie Ungarn oder Rumänien. Die Mittel für diese Kredite sollen aus dem EU-Krisenfond kommen, der deshalb von 25 auf 50 Milliarden Euro aufgestockt wird. Mit diesen Maßnahmen, so die Botschaft des Gipfels in Brüssel, sei es „dann aber auch genug“. Die Vertreter der EU Staaten waren sich einig, dass das Vorgehen der USA, mit viel Geld die Konjunktur ankurbeln zu wollen für sie so nicht richtig sein kann: „Mit Geld den Markt fluten, wozu führt das?“

Der Gipfel in Brüssel scheint die 27 EU Länder vorerst, zumindest in finanziellen Fragen geeint zu haben. Die EU wird in London (vorerst) mit einer Stimme sprechen. Ob sich die EU jedoch in Zukunft auch in anderen Fragen so einig sein wird, bleibt aber abzuwarten. Es ist auch unwahrscheinlich, dass die USA von der EU Milliardenpakete zur Rezensionsbekämpfung fordern werden, dennoch fährt die EU erstmals ihre eigene Linie und stellt sich damit auf der internationalen Wirtschaftsbühne eher gegen die USA.

Über Eines sind sich die EU und USA jedoch einig: Die Finanzmärkte werden in Zukunft in einer nie da gewesenen Art und Weise kontrolliert werden, damit möglichen weiteren Krisen vorgebeugt werden kann.

(Philip Knoche)

Dienstag, 24. März 2009

Den Überblick behalten: Die Organe der EU

Wer sich schon einmal mit dem Thema befasst hat, weiß: Bei den Organen der Europäischen Union den Durchblick zu behalten, ist nicht so einfach. Rat der Europäischen Union, Europäischer Rat oder Ministerrat - was genau ist das, wie unterscheiden sich die Institutionen und wie bitte kann man sich das alles merken?

Wir haben diesen Fragen ein paar Stunden gewidmet und zur Unterstützung Heide-Lore Swiecikowski, die Bevollmächtigte Bremens beim Bund und für Europa, eingeladen. Sie sollte uns die Zusammenhänge zwischen den Institutionen einmal genau erklären. Schließlich sind wir zu dem Schluss gekommen, dass auch Profis auf diesem Gebiet einen Spickzettel brauchen. Darum gibt es hier auch für EU-Laien den Europa-Spickzettel der wichtigsten EU-Organe:

Heide-Lore Swiecikowski (links) und Maja Hoock beim Referieren.

1. Der Europäische Rat

Hier kommen die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Länder viermal jährlich zusammen und legen die politischen Ziele der Union fest. Den Vorsitz hat der Staats- oder Regierungschef des Landes inne, das gerade auch den Vorsitz im Rates der EU hat (das ist momentan noch Tschechien).

1.1 Der Rat der Europäischen Union (Ministerrat)

Hier werden die Regierungen durch ihre Minister vertreten, die politische Entscheidungen treffen. Gemeinsam mit dem Europäischen Parlament beteiligt sich der Rat an Gesetzgebung und Haushaltsentscheidungen. An jeder Tagung des Rates nimmt ein Minister pro Land teil (je nachdem, welches Thema besprochen wird: der Landwirtschafts-, Verkehrs-, oder Umweltminister ect.) Deutschland hat 29 Stimmen im Rat (Malta hat wegen der geringeren Bevölkerungsgröße zum Vergleich nur 3). Der Vorsitz wechselt jedes halbe Jahr turnusmäßig. Momentan hat Tschechien den Vorsitz inne, in der zweiten Hälfte des Jahres 2009 Schweden. (à Vorsitz des Europäischen Rates)

2. Das Europäische Parlament

Hier werden die Bürger der EU vertreten, indem sie alle fünf Jahre (das nächste Mal im Juni 2009) die Mitglieder durch direkte Wahlen bestimmen können. Das Parlament beteiligt sich an der Gesetzgebung der EU und trifft mit dem Rat der EU Entscheidungen über den Haushalt. Im Parlament gibt es acht Fraktionen (Linke, Sozialdemokraten, Grüne, Unabhängige, Liberale, Christdemokraten, Nationale, Sonstige). In diesen Fraktionen sitzen 784 Parlamentarier aus über 150 Parteien. Deutschland hat 99 Sitze im E.P. (vgl. www.europarl.de)

3. Die Europäische Kommission

Hier wird die Einhaltung der Verträge überwacht. Die gemeinsamen Interessen Europas sollen so gewahrt werden; darum soll auch die Kommission unabhängig von den Mitgliedsstaaten handeln. Verstößt ein Land gegen die Verträge, kann die Kommission es bei dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in Luxemburg anklagen. Jeweils ein Kommissar wird von einem Mitgliedsstaat der EU für fünf Jahre bestimmt. Die Unabhängigkeit dieser Kommissare ist in gewisser Weise dadurch gewährleistet, dass das Europäische Parlament im Misstrauensfall die gesamte Kommission auflösen kann. Der Präsident der Europäischen Kommission (momentan José Manuel Barroso) wird von den Mitgliedsstaaten ernannt und ist Vollmitglied bei den Tagungen des Europäischen Rates.

Die Gesetzgebung in der EU

Wer in der EU legislative Kompetenzen hat, sollte nun klar sein. Doch wie kommen die Gesetze zustande? Die beiden wesentlichen gesetzlichen Regelungen sind die Richtlinie (Rechtsetzungen der Europäischen Gemeinschaft, die die Mitgliedsstaaten zur Einhaltung bestimmter Ziele verpflichten) und die Verordnung. Die Entstehung einer Richtlinie zeige ich hier nun im (sehr) Groben auf. In Wirklichkeit ist diese Prozedur meist wesentlich komplizierter und verstrickter.

Wie Entsteht eine Richtlinie?

  1. EU-Kommissare machen zunächst Vorschläge, was verändert werden könnte. Durch das so genannte Grünbuch (Diskussionspapier) der Europäischen Kommission werden bestimmte Themen und Ideen dazu ins Gespräch gebracht. Dieses Thema kann zum Beispiel „Die Auswirkungen des Verkehrs auf die Umwelt“ sein. Das Europäischen Parlament legt fest, wer sich des Vorschlags annimmt. Nun kann ein Weißbuch folgen. Darin formulieren die vom Parlament bestimmen Zuständigen verschiedene förmliche Vorschläge zum Vorgehen und reichen diese an die zuständigen Politikbereiche weiter.
  1. Das „Lobbying“ beginnt. Also: Experten und verschiedene Interessensvertreter werden zu dem Thema angehört.
  1. Die Parlamentarier im Europäischen Parlament stimmen ab.
  1. Der Rat nimmt den Beschluss (im einfachsten Fall) an.
  1. Die Richtlinie tritt in Kraft.

Die Eindrücke der Teilnehmer

Nachdem wir über zwei Stunden mit diesem geballten Wissen konfrontiert wurden, kam die Frage, die kommen musste: Was ist davon eigentlich hängen geblieben? Und was ist das Wichtigste, das in dem Vortrag erwähnt wurde? Ich habe die Antworten der Teilnehmer und Teilnehmerinnen zusammengetragen.

  • Das einzig direkt demokratisch legitimierte Organ der EU ist das Parlament.
  • In Brüssel, Straßburg und Luxemburg sitzt ein Bürokratiemonster hinter Milchglas.
  • Stell Dir vor, es ist Wahl und keiner weiß es!
  • 75 % der deutschen Gesetze sind von der EU gemacht.
  • Politiker, die in der nationalen Politik übrig geblieben sind, gehen in die EU-Politik.
  • Deutschland und alle anderen Mitgliedsstaaten verlieren Kompetenzen.
  • Die wichtigsten Institutionen sind das Europäische Parlament, die Kommission und der Rat der EU.
  • Der Rat der EU und das Parlament bilden die Legislative, während die Europäische Kommission Exekutivaufgaben übernimmt.
  • Die EU-Parlamentarier haben kein Gesicht.
  • Zu viele Instanzen verhindern Flexibilität.
  • Durch die EU-Mitgliedschaft können Länder ihre Wirtschaftskraft erhöhen.
  • Lobbyarbeit spielt eine wichtige Rolle in der EU.

    Quellen:


Heide-Lore Swiecikowski

Der Fischer Weltalmanach 2009

Europa in 12 Lektionen

http://www.europa-digital.de (Richtlinien)

www.europa.eu (Weißbuch)

www.wikipedia.de (Grünbuch, Weißbuch)