Dienstag, 24. März 2009

Den Überblick behalten: Die Organe der EU

Wer sich schon einmal mit dem Thema befasst hat, weiß: Bei den Organen der Europäischen Union den Durchblick zu behalten, ist nicht so einfach. Rat der Europäischen Union, Europäischer Rat oder Ministerrat - was genau ist das, wie unterscheiden sich die Institutionen und wie bitte kann man sich das alles merken?

Wir haben diesen Fragen ein paar Stunden gewidmet und zur Unterstützung Heide-Lore Swiecikowski, die Bevollmächtigte Bremens beim Bund und für Europa, eingeladen. Sie sollte uns die Zusammenhänge zwischen den Institutionen einmal genau erklären. Schließlich sind wir zu dem Schluss gekommen, dass auch Profis auf diesem Gebiet einen Spickzettel brauchen. Darum gibt es hier auch für EU-Laien den Europa-Spickzettel der wichtigsten EU-Organe:

Heide-Lore Swiecikowski (links) und Maja Hoock beim Referieren.

1. Der Europäische Rat

Hier kommen die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Länder viermal jährlich zusammen und legen die politischen Ziele der Union fest. Den Vorsitz hat der Staats- oder Regierungschef des Landes inne, das gerade auch den Vorsitz im Rates der EU hat (das ist momentan noch Tschechien).

1.1 Der Rat der Europäischen Union (Ministerrat)

Hier werden die Regierungen durch ihre Minister vertreten, die politische Entscheidungen treffen. Gemeinsam mit dem Europäischen Parlament beteiligt sich der Rat an Gesetzgebung und Haushaltsentscheidungen. An jeder Tagung des Rates nimmt ein Minister pro Land teil (je nachdem, welches Thema besprochen wird: der Landwirtschafts-, Verkehrs-, oder Umweltminister ect.) Deutschland hat 29 Stimmen im Rat (Malta hat wegen der geringeren Bevölkerungsgröße zum Vergleich nur 3). Der Vorsitz wechselt jedes halbe Jahr turnusmäßig. Momentan hat Tschechien den Vorsitz inne, in der zweiten Hälfte des Jahres 2009 Schweden. (à Vorsitz des Europäischen Rates)

2. Das Europäische Parlament

Hier werden die Bürger der EU vertreten, indem sie alle fünf Jahre (das nächste Mal im Juni 2009) die Mitglieder durch direkte Wahlen bestimmen können. Das Parlament beteiligt sich an der Gesetzgebung der EU und trifft mit dem Rat der EU Entscheidungen über den Haushalt. Im Parlament gibt es acht Fraktionen (Linke, Sozialdemokraten, Grüne, Unabhängige, Liberale, Christdemokraten, Nationale, Sonstige). In diesen Fraktionen sitzen 784 Parlamentarier aus über 150 Parteien. Deutschland hat 99 Sitze im E.P. (vgl. www.europarl.de)

3. Die Europäische Kommission

Hier wird die Einhaltung der Verträge überwacht. Die gemeinsamen Interessen Europas sollen so gewahrt werden; darum soll auch die Kommission unabhängig von den Mitgliedsstaaten handeln. Verstößt ein Land gegen die Verträge, kann die Kommission es bei dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in Luxemburg anklagen. Jeweils ein Kommissar wird von einem Mitgliedsstaat der EU für fünf Jahre bestimmt. Die Unabhängigkeit dieser Kommissare ist in gewisser Weise dadurch gewährleistet, dass das Europäische Parlament im Misstrauensfall die gesamte Kommission auflösen kann. Der Präsident der Europäischen Kommission (momentan José Manuel Barroso) wird von den Mitgliedsstaaten ernannt und ist Vollmitglied bei den Tagungen des Europäischen Rates.

Die Gesetzgebung in der EU

Wer in der EU legislative Kompetenzen hat, sollte nun klar sein. Doch wie kommen die Gesetze zustande? Die beiden wesentlichen gesetzlichen Regelungen sind die Richtlinie (Rechtsetzungen der Europäischen Gemeinschaft, die die Mitgliedsstaaten zur Einhaltung bestimmter Ziele verpflichten) und die Verordnung. Die Entstehung einer Richtlinie zeige ich hier nun im (sehr) Groben auf. In Wirklichkeit ist diese Prozedur meist wesentlich komplizierter und verstrickter.

Wie Entsteht eine Richtlinie?

  1. EU-Kommissare machen zunächst Vorschläge, was verändert werden könnte. Durch das so genannte Grünbuch (Diskussionspapier) der Europäischen Kommission werden bestimmte Themen und Ideen dazu ins Gespräch gebracht. Dieses Thema kann zum Beispiel „Die Auswirkungen des Verkehrs auf die Umwelt“ sein. Das Europäischen Parlament legt fest, wer sich des Vorschlags annimmt. Nun kann ein Weißbuch folgen. Darin formulieren die vom Parlament bestimmen Zuständigen verschiedene förmliche Vorschläge zum Vorgehen und reichen diese an die zuständigen Politikbereiche weiter.
  1. Das „Lobbying“ beginnt. Also: Experten und verschiedene Interessensvertreter werden zu dem Thema angehört.
  1. Die Parlamentarier im Europäischen Parlament stimmen ab.
  1. Der Rat nimmt den Beschluss (im einfachsten Fall) an.
  1. Die Richtlinie tritt in Kraft.

Die Eindrücke der Teilnehmer

Nachdem wir über zwei Stunden mit diesem geballten Wissen konfrontiert wurden, kam die Frage, die kommen musste: Was ist davon eigentlich hängen geblieben? Und was ist das Wichtigste, das in dem Vortrag erwähnt wurde? Ich habe die Antworten der Teilnehmer und Teilnehmerinnen zusammengetragen.

  • Das einzig direkt demokratisch legitimierte Organ der EU ist das Parlament.
  • In Brüssel, Straßburg und Luxemburg sitzt ein Bürokratiemonster hinter Milchglas.
  • Stell Dir vor, es ist Wahl und keiner weiß es!
  • 75 % der deutschen Gesetze sind von der EU gemacht.
  • Politiker, die in der nationalen Politik übrig geblieben sind, gehen in die EU-Politik.
  • Deutschland und alle anderen Mitgliedsstaaten verlieren Kompetenzen.
  • Die wichtigsten Institutionen sind das Europäische Parlament, die Kommission und der Rat der EU.
  • Der Rat der EU und das Parlament bilden die Legislative, während die Europäische Kommission Exekutivaufgaben übernimmt.
  • Die EU-Parlamentarier haben kein Gesicht.
  • Zu viele Instanzen verhindern Flexibilität.
  • Durch die EU-Mitgliedschaft können Länder ihre Wirtschaftskraft erhöhen.
  • Lobbyarbeit spielt eine wichtige Rolle in der EU.

    Quellen:


Heide-Lore Swiecikowski

Der Fischer Weltalmanach 2009

Europa in 12 Lektionen

http://www.europa-digital.de (Richtlinien)

www.europa.eu (Weißbuch)

www.wikipedia.de (Grünbuch, Weißbuch)