Von S. Heidelberger und S. Pietschmann
Nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima wird nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa wieder heftig über die Atomkraft diskutiert. So streitet die Europäischen Union aktuell, ob alle Atomkraftwerke neuen Tests unterzogen werden sollen und vor allem nach welchen Standards diese auf eventuelle Gefahren getestet werden müssen. Deshalb haben wir mit unserem Gast Hermann Kuhn (Bündnis 90/Die Grünen) über die „Europäische und deutsche Atompolitik“ gesprochen.
Hermann Kuhn
Kuhn ist Mitglied der Bremischen Bürgerschaft (BB) und stellvertretendes Mitglied im europäischen „Ausschuss der Regionen“ (AdR). Zudem ist er innerhalb des AdR Präsident der „Intergroup Nordsee und Ärmelkanal“ und ehrenamtlicher Landesvorsitzender der „Europa Union e.V.“ in Bremen. Die Biografie Hermann Kuhns liest sich wie viele andere von denen, die heute bei der Partei „Die Grünen“ die führenden Köpfe sind. Nach seinen „turbulenten Studienzeiten“ - Mitglied des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds (SDS) – in Kiel, schloss er 1971 das Studium für Lehramt ab. Von 1974 bis 1977 arbeitete er als Lehrer in Brinkum, war dann jedoch mit „Berufsverbot“ aufgrund des Radikalenerlasses belegt. Grund hierfür war seine Mitgliedschaft und Kandidatur für den „Kommunistischen Bund Westdeutschlands“ (KBW). „Die 80er Jahre waren meine Gewerkschaftszeit“, sagt Kuhn selbst. Ab 1981 arbeitete er als Schriftsetzer bei der Bremer Tageszeitungen AG und war, bis zu seinem Vorruhestand 2005, dort Vertrauensmann und Betriebsrat. 1991 zog Kuhn als parteiloser in die BB ein und wurde im selben Jahr Mitglied der Partei „Die Grünen“. Für die Partei saß er von 1991 bis 2003 und ab 2007 wieder im Bremer Landesparlament.
Atom-Politik
Für die Überwachung und Koordination atomarer Energie ist in Deutschland das Bundesumweltministerium (mit Bundesumweltminister Norbert Röttgen), das Bundesamt für Strahlenschutz, die Strahlenschutzkommission, die Reaktorsicherheitskommission und der Kerntechnischen Ausschuss zuständig. Gesetzlich verankert ist die Nutzung von Kernenergie im deutschen Atomgesetz, welches 1960 in Kraft trat.
Auf europäischer Ebene sind die Europäische Atomgemeinschaft, der Rat für Verkehr, Telekommunikation und Energie, sowie der Europäische Kommissar für Energie, Günther Öttinger, zuständig. Rahmenbedingungen zur Nutzung der friedlichen Kernenergie, sowie die Forschung und Aufteilung von EU Mitteln sind im Euratom-Vertrag verankert.
Nach einer Einführung in die Thematik diskutierten wir mit Hermann Kuhn über das deutsche und europäische Verhalten nach dem Unglück in Fukushima, die Arbeit der Energielobbyisten und Volksabstimmungen zur deutschen Atompolitik. „Der deutsche Atomausstieg wurde mit dem Atomkonsens bereits eingeläutet“, so Kuhn. Gesetzlich festgehalten wurde das durch die Novellierung des Deutschen Atomgesetztes 2002. Zuvor stand die Subventionierung der Atomenergie im Gesetz. Nach der Katastrophe in Fukushima und der Verlängerung der befristeten Regellaufzeit, durch die schwarz-gelbe Koalition 2010, sei es eine erforderliche Konsequenz diesen großen Fehler nun zu bearbeiten. „Das Moratorium kann dabei nur ein Anfang sein und fest definierte Stresstests eine Sicherheitsmaßnahme aber keine Lösung“.
Die neuste politische Entwicklung zum Thema Atomenergie zeigt auch, dass die größeren Parteien, die zuvor immer für Atomenergie stimmten, „inzwischen die Gefahr, die von Atomkraftwerken ausgeht, ernst nehmen“. Ebenfalls zeige die unzureichende Versicherung von Atomkraftwerken in Deutschland, wie hoch die Gefahren seien und dass sie gar nicht richtig eingeschätzt werden könnten.
Trotz der Katastrophe in Fukushima setzt die Mehrheit der europäischen Länder weiterhin auf Atomenergie und will sie sogar weiter ausbauen. Deutschland tritt somit auf europäischer Ebene einer Minderheit bei, die den Atomausstieg plant oder gar ganz auf Atomenergie verzichtet, wie zum Beispiel Österreich. Nach Fukushima sollen die europäischen Atomkraftwerke freiwilligen Stresstests unterzogen werden. „Es müssen einheitliche Stresstests vollzogen werden. Die Mitgliedsländer müssen sich nicht freiwillig dazu bereit erklären dürfen, das reicht nicht.“ Ein weiteres Problem beim Atomausstieg sind wirtschaftliche Faktoren. Zum einen wollen europäische Mitgliedsstaaten wie Tschechien unabhängig Strom beziehen können und andererseits üben auch die großen Energieproduzenten teilweise erheblichen Druck auf die Regierungen aus. „Es müsse ein europäisches Abkommen geben, welches die Energieversorgung unter den Mitgliedsstaaten regelt.“
Auch die Idee der Volksabstimmungen beim Thema 'Nutzung von Atomkraftwerken“ wurde diskutiert. Hermann Kuhn begrüßte diese Idee. Auch in anderen Ländern hatten Volksabstimmungen gezeigt, dass viele Menschen keine Atomenergie haben wollten.
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