Von: Annika Krause, Janina Patterson, Susi Mannschreck und Marc Stubbemann
Seit nunmehr 60 Jahren versucht die Türkei den Eintritt in den europäischen Raum als anerkanntes Mitglied zu vollziehen. Auch in der aktuellen politischen Diskussion und in den Medien wird der Türkeibeitritt in die Europäische Union diskutiert und die Pro- und Contra-Aspekte aufgezeigt. Nach wie vor zählt der ehemalige osmanische Staat nur als assoziiertes Mitglied im europäischen Raum, eine Vollmitgliedschaft kam seitens der EU noch nicht in Frage.
Die Türkei ist jedoch bereits seit 1949 Mitglied des Europarates. Seine Satzung sieht eine allgemeine Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zur Förderung von wirtschaftlichem- und sozialem Fortschritt vor. 1959 bewarb sich die Türkei um eine Mitgliedschaft in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Die Bewerbung war insofern erfolgreich, dass 1963 zwischen der Türkei und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ein Assoziierungsabkommen geschlossen wurde. Dieses „Ankara-Abkommen“ regelte ein Darlehen an die Türkei in Höhe von umgerechnet insgesamt 175 Millionen Euro, um den Einstieg in den Wirtschaftsraum zu erleichtern. Dieser Phase sollte dann ein Eintritt in die Europäische Zollunion und dann auch eine spätere türkische Mitgliedschaft in der damaligen Europäischen Gemeinschaft folgen. Doch erst 1992 stärkte sich das Verhältnis zwischen Europa und der Türkei ein wenig, da sie der Westeuropäischen Union als assoziiertes Mitglied beitraten.
Am 11. Dezember 1999 erhielt die Türkei offiziell dann den Status als anerkannten Beitrittskandidaten der EU. Auf dem Gipfel von Kopenhagen 2002 beschloss die EU über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zu entscheiden, sobald die Türkei die politischen Bedingungen der Kopenhagener Kriterien erfülle. Der Kopenhagener Vertrag sieht vier Kriterien für eine mögliche Aufnahme der Türkei vor. Die Politischen Kriterien bestehen aus Demokratie, Wahrung der Menschen- und Bürgerrechte (insbesondere Minderheiten). Zudem wird eine Struktur in der Judikative verlangt und politische Parteien müssen zugelassen werden. Die wirtschaftlichen EU-Kriterien bestehen aus einer funktionierenden Marktwirtschaft, die in der EU wettbewerbsfähig ist, zudem eine Offenheit gegenüber den ausländischen Märkten. Die EU-Gemeinschaftlichen-Kriterien sehen eine Anerkennung des Binnenmarktes als notwendig und den Beitritt zur Wirtschafts- und Währungsunion.
Das Begehren der Türkei, ein Mitglied der Europäischen Union zu werden, stellt die EU vor eines ihrer größten Probleme. Die heutige türkische Regierung kann erstaunliche Erfolge auf ihrem Weg nach Europa verzeichnen. Somit würde die Zurückweisung der Türkei zu einer langen und ernsten politischen Krise führen. Europa verfolgt das Interesse einer stabilen, demokratischen, prosperierenden Türkei, in der der islamische Glaube und die Moderne miteinander wirken. Doch trotz allen Bemühungen gibt es vor allem bei den politischen Aspekten bis heute weiterhin zahlreiche Argumente, die gegen einen Beitritt in die EU sprechen. Immer noch ist die fehlende Wahrung der Menschenrechte eines der größten Probleme der Türkei. Der in Europa vorhandene Schutz von Minderheiten wird nicht geachtet. Vor Gericht gibt es weder Meinungsfreiheit noch Berufungsrecht. Viel zu wenig wird für die Bekämpfung von Folter und Misshandlungen eingetreten, es gibt kaum zivile Kontrolle des Militärs. Eine komplette Verfassungsänderung wäre nötig, um sich an die europäischen Vorgaben anzupassen. Bevor ein Beitritt in Frage kommt, muss die Türkei beweisen, dass Demokratie und Islam sehr wohl harmonieren können. Denn sollte sie schließlich ein Mitglied der EU werden, werden die Probleme der Türkei zu europäischen Problemen. Doch nicht nur auf dieser Grundlage sprechen sich einige europäische Länder strikt gegen einen Beitritt der Türkei aus. Wichtige Mitgliedsstaaten, wie Frankreich und Deutschland lehnen eine Vollmitgliedschaft ab, auch um ihre eigene Stellung innerhalb Europas zu halten. Denn ausgehend von der hohen Bevölkerungszahl, hätte die Türkei die zweithöchste Stellung im EU Parlament.
Nicht zuletzt in punkto Sicherheit teilen sich die Meinungen innerhalb der europäischen Mitgliedsstaaten. Die Ost-Erweiterung kann einige Vorteile mit sich bringen, da die Türkei sich als Vermittlerin im Nahost-Konflikt durchaus profilieren könnte. Ankara stellt sich als „Dreh- und Angelpunkt“ für viele Kontakte dar. Die Türkei hat gute Beziehungen, sowohl zu Israel, als auch zu den Arabern und Palästinensern. Mit der Einrichtung eines Industriegebietes im Westjordanland zur Bekämpfung der hohen Arbeitslosigkeit in den Palästinensergebieten, hat sie bereits einen großen Beitrag zum Nahost-Friedensprozess geleistet. Dennoch handelt sich die Europäische Union mit der Türkei als neuen Mitgliedsstaat auch zahlreiche Krisenregionen als Nachbarn ein. Diese Nicht-demokratischen und instabilen Staaten könnten eine Gefahr für den Frieden innerhalb Europas darstellen. Vor allem der Iran, der für die Unterstützung des internationalen Terrorismus und den Bau von Atomwaffen bekannt ist, könnte so zur immer größeren Bedrohung werden. Außerdem müsste beispielsweise die EU, als neue Nachbarin des Iraks, zwangsläufig zur Stabilisierung beitragen und würde damit die amerikanische Politik unterstützen. Des weiteren muss allerdings beachtet werden, dass sich die Türkei, bei einer Ablehnung durch die EU, auch den islamischen Ländern zuwenden könnte und somit ebenfalls zu einer Bedrohung für Europa werden könnte.
Nicht nur in der Politik, sondern auch innerhalb der Bevölkerung, kommt immer wieder die Frage auf, in wiefern sich die Türkei in die Europäische Union eingliedern kann. Zurzeit leben 73 Millionen Menschen in der Türkei. Im Vergleich dazu leben allein in Deutschland über 1,6 Millionen türkische Migranten, in der gesamten EU sind es mehr als 13 Millionen (Stand 2007). Die Ost-Erweiterung bietet einerseits eine große Chance für Europa, andererseits stellt sie auch eine große Herausforderung an Europas Solidarität und Integrationskraft dar. Wäre diese Hürde jedoch erst einmal geschafft, wäre es für die türkischstämmige Bevölkerung der EU wesentlich leichter sich zu integrieren. Dennoch haben viele Europäer immer noch das Gefühl, die Türkei gehöre nicht zu Europa und empfinden Fremd- oder Andersartigkeit ihren Mitbürgern gegenüber. Ein wichtiger Faktor dafür sind die unterschiedlichen religiösen Normen. Europa ist durch und durch vom Christentum geprägt, während 99 Prozent aller Türken dem muslimischen Glauben angehören. Die Zahl von 67 Millionen Muslimen übertrifft die Anzahl der europäischen Protestanten.
Die Türkei bemüht sich nun schon seit mehr als vier Jahrzehnten um eine Mitgliedschaft in der europäischen Gemeinschaft. Viele Türken leben bereits in der dritten oder sogar vierten Generation in Europa und versuchen sich in die westliche Gesellschaft einzugliedern. Dennoch gibt es immer wieder Konflikte, da viele der Osteuropäer sich nicht an die westliche Kultur anpassen wollen. Ob mangelnde Sprachkenntnisse, Zwangsheirat oder gar Ehrenmorde, der Nationalstolz der Türken lässt sogar in der Ferne nicht nach. Alles in allem sind die Fortschritte sowohl auf gesellschaftlicher, als auch auf politischer und kultureller Ebene noch zu gering, um eine einheitliche Zusammenarbeit mit der EU zu garantieren. Ob eine gemeinsame Identität wirklich durch die Bemühungen der Türkei zustande kommen wird, bleibt abzuwarten. Zurzeit ist die westliche Welt in ihren Normen und religiösen Werten immer noch zu weit entfernt von denen, der Türkei. Grundsätze, wie die Ablehnung der Todesstrafe oder Religions- und Meinungsfreiheit, sind in der Europäischen Union schon seit Jahrzehnten fest verankert und müssen auch in der Zukunft ohne Ausnahmen vertreten werden. Wenn die Türkei jedoch weiter an Veränderungen und Fortschritten festhält, gibt es eine realistische Chance doch einmal ein festes Mitglied der Europäischen Union zu werden.
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