Freitag, 28. Mai 2010

Europa und seine Institutionen


Ein Beitrag von Moritz Herrmann und Maik Stieler


Quelle Grafik: http://www.bayern.de/Bild/original_22805/GrafikOrganeundInstitutionenderEU.jpg

Europäisches Parlament:

Das EU-Parlament wird seit 1979 alle fünf Jahre von den Bürgern der EU-Mitgliedsstaaten gewählt. Jeder Mitgliedsstaat entsendet eine Anzahl von Abgeordneten, die seine Bevölkerungsgröße repräsentiert. Er Sitz des Parlaments ist in Straßburg, dort hält das Parlament einmal monatlich eine viertägige Plenarsitzung ab. Die Ausschüsse und Arbeitsgruppen tagen in Brüssel. Das Sekretariat des Parlaments befindet sich in Luxemburg.

- Das Parlament entscheidet beim EU-Gesetzgebungsverfahren mit, in Zusammenarbeit mit dem Ministerrat
- Das Parlament kann Untersuchungsausschüsse einsetzen
- Ernennung der Europäischen Kommission und des Kommissionspräsidenten bedarf der mehrheitlichen Zustimmung des Parlaments
- Das Parlament kann die Kommission zu Gesetzgebungsinitiativen auffordern

Europäischer Rat:

Der Europäische Rat setzt sich zusammen aus den Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten und dem EU-Kommissionspräsidenten. Erst mit dem Vertrag von Lissabon wurde der Europäische Rat als offizielles Organ der EU institutionalisiert, vorher galt er als ständige Einrichtung. Der Rat kommt zweimal pro Halbjahr in Brüssel zusammen, zu Themen von besonderer Bedeutung kann es einen Sondergipfel geben.

- Der Europäische Rat bestimmt die Leitlinien der europäischen Politik
- D.h. der Rat erteilt konkrete politische Aufträge an den Ministerrat
- Der Rat bittet die EU-Kommission, entsprechend seiner Beschlüsse zur europäischen Leitlinienpolitik tätig zu werden.


Rat der Europäischen Union (Ministerrat):


Im Ministerrat sind die EU-Mitgliedsstaaten durch ihre Fachminister vertreten. Je nach Thematik ändert sich demnach die Zusammensetzung des Rates, z.B. bilden bei einer Sitzung zur europäischen Geldpolitik/Euro-Politik die Finanzminister den Finanzrat. Der Ministerrat entscheidet in der Regel nach dem Mehrheitsprinzip: dafür müssen im Rat 55 Prozent der Mitglieder zustimmen und dabei 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Der Vorsitz des Rates wechselt halbjährlich zum 1. Januar sowie zum 1. Juli. Im Ministerrat geht es vor allem darum, die nationalen Interessen der Mitglieder durch Kompromissentscheidungen auf europäischen Kurs zu bringen.

- Der Ministerrat beschließt gemeinsam mit dem EU-Parlament die europäischen Gesetze (europäisches Gesetzgebungsverfahren)
- Der Ministerrat bereitet die Treffen des Europäischen Rates thematisch vor und nimmt sich nach einem Europäischen Rat der neuen Aufträge bzw. Leitlinienpolitik an.


Europäische Kommission:


Die Europäische Kommission setzt sich zusammen aus 26 Kommissaren/Kommissarrinnen, den Vorsitz hat der Kommissionspräsident. Jeder EU-Mitgliedsstaat entsendet einen Kommissar, die Mitglieder der Kommission sollen aber unabhängig von nationalpolitischen Weisungen arbeiten und nur dem gesamteuropäischen Interesse verpflichtet sein. Der Kommission kann vom Parlament das Misstrauen ausgesprochen werden. Der Kommissionspräsident wird von den Regierungen der Mitgliedsstaaten vorgeschlagen und vom Parlament bestätigt. Die Beschlüsse fasst die Kommission mit einfacher Stimmmehrheit, die Amtszeit ist auf fünf Jahre begrenzt.

- Die Kommission erarbeitet/entwürft alleinig Gesetze (Initiativrecht), über die Parlament und Ministerrat dann abstimmen
- Die Kommission kann seit dem Vertrag von Lissabon auch mit einem Bürgerbegehren aufgefordert werden, sich eines bestimmten Anliegens anzunehmen.

Europäischer Gerichtshof:

Der Europäische Gerichtshof sitzt in Luxemburg und schwebt als wachende Instanz über dem institutionellen Machtdreieck, das die Kommission, das Parlament und der Ministerrat bilden. 27 Richter/innen – aus jedem EU-Mitgliedsstaat eine/r – sitzen für dann sechs Jahre Amtszeit in Luxemburg und können de facto von jedem angerufen werden: EU-Mitgliedsstaat, EU-Organ oder individuell betroffene EU-Bürger und Unternehmen.

- Der EuGH sichert die Auslegung des EU-Rechts bei der Auslegung und Anwendung der europäischen Verträge
- Der EuGH sichert das System der checks and balances, d.h. er entscheidet bei Streitigkeiten zwischen EU-Organen über Befugnishoheit
- Der EuGH überprüft die Gesetzesinitiativen der Kommission auf EU-Rechtstauglichkeit und entscheidet über Rechtmäßigkeit von Bußgeldern.


EU-Mitgliedschaft:


Der Vertrag von Lissabon sieht vor, dass jeder europäische Staat EU-Mitglied werden kann, wenn er die Werte, Normen und Gesetze, auf denen die Union fußt, achtet. Eine exakte Definition, was europäisch ist (und was nicht), gibt der Vertrag nicht vor. Die Öffnung der EU nach Osten und die Verhandlungen mit der Türkei zeigen, dass historische, kulturelle und geographische Faktoren zwar eine Rolle spielen, aber nie bindend sind. Wirtschaftliche und politische Gemeinsamkeiten spielen gleichsam in ein europäisches Verständnis hinein.

Die Kopenhagener Kriterien:

Im Juni 1993 kam der Europäische Rat in Kopenhagen zusammen und konkretisierte die Anforderungen an etwaige Beitrittsländer. Diese Kopenhagener Kriterien gelten auch heute noch als Maßstab bei Beitrittsverhandlungen oder auch nur –erwägungen. Allerdings zielen auch sie vor allem auf politische und wirtschaftliche Bedenken und lassen z.B. Kulturelles unerwähnt.

1. Politisches Kriterium: "Institutionelle Stabilität als Garantie für demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, für die Wahrung der Menschenrechte sowie die Achtung und den Schutz von Minderheiten."
2. Wirtschaftliches Kriterium: "Eine funktionsfähige Marktwirtschaft sowie die Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der EU standzuhalten."
3. Acquis-Kriterium: „Die Fähigkeit, alle Pflichten der Mitgliedschaft – d.h. das gesamte Recht sowie die Politik der EU (den sogenannten "Acquis communautaire") – zu übernehmen, sowie das Einverständnis mit den Zielen der Politischen Union und der Wirtschafts- und Währungsunion.“


Geschichte der EU-Erweiterung:


Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, Luxemburg und die Niederlande gehörten zu den Gründungsstaaten von EGKS, EWG und Euratom. Diese Europäischen Gemeinschaften waren wirtschaftlicher Natur und werden wegen ihrer auf supranationale Kooperation ausgelegten Struktur als Vorläufer der Europäischen Union verstanden. Seither hat es fünf Erweiterungsrunden gegeben:

• 01.01.1973: Dänemark, Irland, Großbritannien
• 01.01.1981: Griechenland
• 01.01.1986: Portugal, Spanien
• 01.01.1995: Österreich, Schweden, Finnland
• 01.05.2004: Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowenien, Slowakei, Tschechische Republik, Ungarn, Zypern
• 01.01.2007: Beitritte von Bulgarien und Rumänien (Abschluss der fünften Erweiterungsrunde)

Derzeit umfasst die Europäische Union 27 Mitgliedsstaaten. Über weitere Beitritte wird verhandelt bzw. diskutiert. Seit dem 3. Oktober 2005 wird mit der Türkei und mit Kroatien über einen Beitritt verhandelt

• Mazedonien ist seit dem Europäischen Rat vom 15. und 16. Dezember 2005 ein offizieller Beitrittskandidat, ein Beschluss über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen wurde aber noch nicht gefasst
• Die übrigen Staaten des westlichen Balkangebietes (Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Serbien) haben den Status potenzieller Beitrittskandidaten inne. Montenegro und Albanien haben Beitrittsgesuche eingereicht, die der Europäischen Kommission zur Prüfung vorliegen
• Island hat im Juli 2009 einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union gestellt



Erweiterungsstrategie der Europäischen Kommission:


Die Europäische Kommission will 2010 in den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei Fortschritte erzielen. Bei Kroatien wird der Abschluss der Beitrittsverhandlungen anvisiert. Im Frühjahr 2010 soll außerdem eine Stellungnahme zum isländischen EU-Beitrittsgesuch vorgelegt werden. Bei den Ländern des westlichen Balkan wird darauf geachtet, dass Reformerfolge gesichert und unumkehrbar gemacht werden. Die entsprechenden Staaten sollen so an die EU-Norm herangeführt werden. Im Fokus stehen ganz besonders Kriterien wie gute Regierungsführung, umfassende Verwaltungs- und Justizreformen, sowie Korruptionsbekämpfung.

Langfristiges Ziel der Erweiterungsstrategie ist und bleibt, Europa bzw. die EU als global player zu etablieren und maximieren. Ein geeintes Europa kann sich einer aktiven Rolle in der globalen Politik annehmen – bzw. tut es schon. Durch die fünfte Erweiterungsrunde ist die EU zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht schon konkurrenzlos, denn der entstandene EU-Binnenmarkt stellt die größte Wirtschaftszone der Welt.

Quelle Grafik: http://www.klett.de/sixcms/media.php/76/osterweiterung.jpg

Quelle Grafik: http://www.manager-magazin.de/img/0,1020,279840,00.jpg

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