Mittwoch, 12. Mai 2010

Portrait: Christoph Sodemann


Der Südosten On-Air

Er hat ein Buch über die Apartheitsgesetze in Südafrika geschrieben, war im Korrespondentenpool der ARD, ist mit seiner Firma Südost-Medienagentur in der Berichterstattung aus Südosteuropa aktiv und hat im Auftrag des Auswärtigen Amts Journalisten in Bulgarien ausgebildet – der 55-jährige Christoph Sodemann ist ohne Frage ein Kenner der internationalen Politik und speziell der Europäischen Union. Doch wie kann er sein Wissen als Chefredakteur beim lokalen TV-Sender Center.tv in Bremen einsetzen? Spielen EU-Themen eine Rolle in einem regionalen Sender? Und welche Probleme gibt es in Südosteuropa mit der EU? Das alles waren einige der spannenden Fragen, über die Christoph Sodemann mit den Studenten des 4. Semesters im internationalen Studiengang Fachjournalistik diskutierte.

„Europäische Themen finden bei uns statt, wenn sie sich auf Bremen ‚runterbrechen’ lassen“, sagt Sodemann. Als Beispiel gibt er den Tod von Polens Präsident Lech Kaczynski an – Center.tv hat sich mit den Reaktion und Empfindungen der rund 30.000 in Bremen lebenden Polen beschäftigt. Sodemann glaubt, dass für viele Menschen die EU weit weg ist und sie vermeintlich nicht in ihrem täglichen Leben direkt betrifft. Die geringe Berichterstattung sieht er aber nicht als EU-spezifisches Problem: „Ich sehe eher generell bei den TV-Stationen eine Abkehr von Tiefgründigem.“

Wie schwer es ist, Sendematerial aus dem Ausland zu verkaufen, hat Christoph Sodemann mit seiner Südost-Medienagentur in Serbien und Bulgarien selbst erlebt. Während der Balkan-Kriege waren Berichte aus der Region gefragt – mit Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen sank auf einmal die Nachfrage. „Viele freie Korrespondenten haben einen massiven Auftragseinbruch hinnehmen müssen“, erinnert er sich. Oft werden in Deutschland nur Beiträge gesendet, die ein bereits bestehendes Bild verstärken. „Die Filme der Journalisten, die ich in Bulgarien ausgebildet habe, waren ganz anders. Sie waren kraftvoller und haben Menschen gezeigt, die anpacken und ihr Leben meistern wollen. In Westeuropa werden die Menschen auf dem Balkan aber vor allem in ihrer Funktion als Opfer gezeigt.“

Für ein EU-Medienprojekt hat seine Agentur Bilder aus der Region geliefert – bestellt wurden im Auftrag der Europäischen Kommission ausschließlich positive Impressionen. „Straßenhunde in Sofia oder so was in der Art durften da nicht zu sehen sein“, so Sodemann. Einen Konflikt in seiner Aufgabe als neutraler Journalist sieht er nicht. „Es wird wirklich oft einseitig berichtet, deswegen war es für mich kein Problem, Bilder zu liefern, die etwas anders zeigen.“

Er selbst glaubt, dass die Menschen in der Region selbst gar nicht groß mitbekommen, was ein EU-Beitritt für sie ändern würde (Serbien ist noch kein offizieller Beitrittskandidat). In Bulgarien hingegen (seit 2007 Mitglied der EU) wurden EU-Subventionen gestrichen, weil das Land große Probleme mit der Korruption hat. „Das hat aber mit dem normalen bulgarischen Bürger nichts zu tun. Es herrscht deswegen schon eine gewisse EU-Skepsis in dem Land“, sagt Sodemann. Themen, die die Menschen zum Beispiel in Serbien täglich beschäftigen, fördern zudem die EU-Skepsis. Nach wie vor ist es schwierig und sehr bürokratisch, ein Visum für die Einreise in ein EU-Land zu bekommen. Christoph Sodemann weiß das aus eigenen Erfahrungen: „Meine Freunde und Bekannte in Serbien würden sich über eine Schlagzeile zum Thema Europa ganz besonders freuen:‚Visa-Bestimmungen gelockert’“.

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