Freitag, 29. Mai 2009

Die Wahl der Nichtwähler

Europa steckt in der Sackgasse. Geringes Bürgerinteresse, fehlende Transparenz und eine schleppende Bürokratie dominieren heute das Bild von der EU. Von Glanz, Glamour und Aufbruchsstimmung ist wenig übrig geblieben. Die kommende Europawahl bietet die Möglichkeit das Ruder herumzureißen. Aber was, wie und warum wählen wir bei der Europawahl?

Es ist ein Wahlevent unvergleichlichen Ausmaßes. Rund 375 Millionen Bürger aus 27 Staaten sollen Anfang Juni ihr Kreuz machen und die politischen Vertreter für Europa wählen.

Was wird gewählt?

Die Europawahl ist die größte supranationale Wahl der Welt. Die Unionsbürger wählen demokratisch das Europäische Parlament. Nach dem Vertrag von Nizza ziehen diesmal 736 Abgeordnete ins Parlament ein, darunter 99 aus Deutschland.

Wie wird gewählt?

Alle fünf Jahre findet die Europawahl statt. Von der EU vorgegeben ist ein Verhältniswahlrecht und der Wahlzeitraum. Die weiteren Entscheidungen liegen bei den Mitgliedsstaaten, ob Sperrklauseln, Wahlpflicht oder Mindestalter. Gewählt werden in jedem Land Kandidaten, die auf regionale oder nationale Listen aufgestellt sind. Meist gehören sie den Landesparteien – wie SPD oder CDU in Deutschland - an. Erst nachdem alle Staaten gewählt haben beginnt die Ergebnisermittlung und die Sitzvergabe.

Wie sieht der Wahlkampf aus?

In Deutschland werden - wie auch bei der Bundestagswahl - den Parteien und politischen Vereinigungen Wahlkampfkosten erstattet. Wurden mindestens 0,5 Prozent der deutschen Stimmen erhalten, gibt es für bis zu 4 Millionen Stimmen 0,85 Euro pro Stimme, darüber hinaus 0,70 Euro pro Stimme. Gemäß Rundfunkstaatsvertrag wird den Parteien und politischen Vereinigungen auch Zugang zu den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten gewährt.

Wer sind momentan die stärksten Fraktionen im Parlament?

Im Europäischen Parlament sitzen europaweite Parteien und Bündnisse, die sich aus den nationalen Parteien rekrutieren. Ein Fraktionszwang herrscht nicht. Mit der größten Abgeordnetenzahl ist derzeit noch die konservative Fraktion aus „Europäischer Volkspartei“ und „Europäischen Demokraten“ (EVP – ED) vertreten, in der auch CDU und CSU Mitglied sind. Zweitstärkste Kraft im Parlament ist die Sozialdemokratische Partei Europas (SPE), in der unter anderem die SPD mitwirkt. Weitere Parteien im Parlament sind:

o ELDR: Europäische Liberale, Demokratische und Reformpartei

o AEN: Allianz für das Europa der Nationen (europaskeptisch)

o EL: Europäische Linke

o EGP: Europäische Grüne Partei

o EDP: Europäische Demokratische Partei (zentristisch)

Was sind die Probleme der Europawahl?

Als großes Defizit hat sich im Laufe der vergangenen Wahlen die geringe Wahlbeteiligung erwiesen. Betrug diese bei der ersten Wahl 1979 noch 67,5 Prozent, so sank sie bis 2004 auf bedenkliche 43 Prozent ab. Damit liegt sie weit unter der Beteiligung von Europas Bürgern bei nationalen Wahlen. Eine besorgniserregend geringe Wahlbeteiligung weisen die neueren östlichen Mitgliedsländer wie Polen, Estland, die Slowakei, Slowenien und die Tschechische Republik auf. Aber auch in Deutschland betrug die Wahlbeteiligung 2004 nur 43 Prozent. Faktisch betrachtet fehlt der EU damit die demokratische Legitimierung seitens der Bürger. Abgewählt durch Nichtwählen. Für die kommende Wahl hofft die EU auf eine erneut steigende Wahlbeteiligung. Für einen erneuten europäischen Aufschwung wäre das unabdingbar.

Die Kreuze auf den Wahlzetteln Anfang Juni werden entscheiden, unter welchem Stern Europa in den nächsten fünf Jahren steht. Gerade in der Wirtschaftskrise ist die Gemeinschaft wichtiger denn je. Europa hat die Wahl. Bürger und Politik sind gefragt. Die EU könnte einen Neuanfang machen oder sich kräftig verzetteln.

(Text: Johannes Musial; Foto des Parlaments: loop_oh / flickr.com CC-Lizenz)

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