Mittwoch, 27. Mai 2009

Europa hat viele Stimmen

Zwölf Uhr: Pressebriefing in Brüssel. EU-Umwelt-Kommissar Stavros Dimas referiert über den florierenden Markt für Öko-Technologien in Europa - auf Englisch. Aus dem Zuhörerraum kommt die Nachfrage eines eifrigen Journalisten, auf Französisch. Einige hundert weitere Journalisten lauschen der Debatte über ihre Kopfhörer, in allen Amtssprachen der Europäischen Union. Englisch, Deutsch, Französisch, Spanisch, Lettisch, Polnisch, Finnisch und so weiter. In großen Glaskästen an den Seitenwänden des Pressesaals sitzen Dolmetscher aus allen EU-Staaten. Sie übersetzen die Worte simultan in ihre jeweilige Muttersprache, damit jeder der Pressekonferenz folgen kann. Europa hat viele Stimmen und so sitzen wir ganz bequem in den breiten Sesseln und lassen uns von den freundlichen Tönen des deutschen Übersetzers auf unseren Kopfhörern bedienen.

Plenarsaal des Europäischen Parlaments

25 Journalisten, Öffentlichkeitsarbeiter, PR-Strategen und Studenten aus Bremen und umzu sind aufgebrochen um Licht ins Dunkel ihrer Unwissenheit zu bringen. „Was passiert da eigentlich, in dieser EU?“ könnte der Arbeitstitel unserer Reise auch lauten. Die Teilnehmer haben ganz unterschiedliche Startvoraussetzungen. Manche wissen herzlich wenig über die EU, ihre Institutionen, ihre Arbeitsweisen. Andere haben sich schon in ihrer Diplomarbeit mit den Feinheiten der europäischen Politik auseinandergesetzt. Manche haben im journalistischen Berufsalltag mit der EU-Thematik zu kämpfen, andere interessieren sich aus privatem Antrieb dafür. Eines ist allen gemeinsam: Wir wollen endlich mit eigenen Augen sehen wie Europapolitik gemacht wird.

Das Programm hat einiges zu bieten. Zuerst treffen wir die Co-Direktorin der europäischen Journalistenföderation, Lobbyisten der Bremer Landesvertretung, Parlamentarier der Fraktionen der SPD, der Linken und der CDU. Wir besuchen das Korrespondentenbüro der ARD. Dort macht uns die Hörfunk-Juniorkorrespondentin Sylvie Ahrens ihren Job schmackhaft. Sie berichtet von abendlichen Hintergrundgesprächen bei Schnittchen und Wein, von Live-Interviews am frühen Morgen und von ihrer Faszination für die komplexen Zusammenhänge der EU-Politik (siehe Beitrag mit Interview). Den gelungenen Schlusspunkt unserer Entdeckungsreise setzt der Besuch bei der EU Kommission, wo wir auch am täglichen Pressebriefing teilnehmen können. Erst erklärt uns Jens Mester, Pressesprecher aus dem Team von Kommissionspräsident Barroso, wie in der Kommission gearbeitet wird und wie die Kommunikation mit der Presse funktioniert. Dann treffen wir Martin Selmayr zum Mittagessen. Zwischen Haifischsteak und Zitronencreme erzählt der Sprecher der luxemburgischen Medienkommissarin Viviane Reding von den Tücken seines Jobs: Ein falsches Wort, eine ungenaue Formulierung und die Übersetzer tragen den Fehler in die nationale Presse aller 27 Mitgliedstaaten weiter.

Drei Tage unterwegs in Europas Hauptstadt – geblieben ist das Bild einer gegensätzlichen Stadt. Brüssel transzendiert irgendwo zwischen Tradition und Moderne, verträumt im Morgengrauen versprüht Brüssel spätestens im morgendlichen Berufsverkehr seinen internationalen Charme. Im Herzen der Stadt das Europa-Viertel – ein künstliches Universum aus Glaspalästen und Anzugträgern, deren Welt wir kennenlernen durften.

Am Ende waren diese drei Tage, vollgepackt mit Begegnungen, Eindrücken, Informationen. Vieles erscheint nun klarer: Wie entstehen Gesetze auf Europaebene? Was machen die Parlamentarier den lieben langen Tag? Vorurteile über die Brüsseler Eurokraten konnten abgebaut werden. Zu den zahlreichen Antworten, die wir gefunden haben, kommen auch neue Fragen: Warum verkauft sich die EU so schlecht in den deutschen Medien? Muss erst jeder Bürger selbst nach Brüssel fahren, um die EU zu verstehen? Trotzdem: Man hat den Eindruck, dass sich ein paar Teile im großen Puzzle Europa zusammengefügt haben. Um die einzelnen Mechanismen der EU Politik restlos zu durchschauen, müsste man wohl mindestens ein Jahr hier verbringen. Doch bleibt nach diesen Tagen irgendwie-ein positives Gefühl. Die Europäische Union ist doch besser als erwartet. Oder, um es mit den Worten der Europaabgeordneten Karin Jöns zu sagen:

Wer uns findet – findet uns gut!

(Anne Katrin Burghartz und Susanne Hausmann)

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