Mittwoch, 18. August 2010

„Wie bürgernah / bürgerfern ist Europa?“

Mit Gastredner Hermann Kuhn


Von Panajotis Gavrilis und Larissa Hoppe


Unser Gast in der Gesprächsrunde war Hermann Kuhn. Er ist Abgeordneter für die Grünen in der Bremer Bürgerschaft und Mitglied im Ausschuss „Europa der Regionen“. Außerdem ist er ehrenamtlicher Landesvorsitzender der Europa Union.
Nach seinem Abitur belegte er sein Studium und absolvierte sein Staatsexamen für Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Anschließend folgte ein Referendariat in Bremen.
Von 1974 bis 1977 war er Lehrer in Brinkum. Wegen seiner Aktivität beim Kommunistischen Bund Westdeutschlands (KBW), von 1973 bis 1982, bekam er aber ein Berufsverbot. Ab 1980 war er bei der Bremer Tageszeitung AG, von 1984 als Mitglied des Betriebsrates. 1989 promovierte Hermann Kuhn an der Bremer Universität.
Bereits von 1991 bis 2003 war er Abgeordneter in der Bremer Bürgerschaft für die Grünen; ab 1995 als einer der Vizepräsidenten. Nach einer Pause wurde er 2007 als Abgeordneter wiedergewählt.


Grundsatzfragen des Gesprächs waren: Wie ist Europa bei den Bremer BürgerInnen angekommen? Wie groß sind die Anstrengungen, auf der lokalen Ebene Europa etwas näher zu bringen? Was hat die EU bisher im Positiven erreicht, wie sieht ihre Zukunft aus und wo liegen ihre Grenzen?
Aus gegebenem Anlass wurde auch die Griechenland-Krise thematisiert.
Doch zu Beginn: Was hat Hermann Kuhn dazu gebracht, sich so sehr mit dem Thema „Europa“ auseinander- und auch dafür einzusetzen?
Vor allem die deutsche Geschichte mit ihren Kriegen und mit dem Fall der Mauer 1989 waren Auslöser für die bewusste Auseinandersetzung mit Krieg und Frieden, Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Völkern. Europa ist mehr als nur ein rentables Instrument für den Binnenmarkt. Europa bedeutet für Hermann Kuhn in erster Linie kultureller Austausch, mehr Kommunikation und Verständnis zwischen den Mitgliedsstaaten und so eine langfristige Friedenssicherung.

Hermann Kuhn sagt heute: „Wir sind in Europa.“ Trotz einer sehr geringen Wahlbeteiligung ist er sich sicher, dass Europa bei den BürgerInnen ein Thema ist und auch angenommen wird. Schließlich haben mehr BundesbürgerInnen Vertrauen in das Europäische Parlament als in den Deutschen Bundestag. Nichts desto trotz. Das Europäische Parlament, Brüssel als Herzstück Europas, liegt weit weg.
Viele Menschen haben das Gefühl, dass ihre Stimme unter all den Meinungen wenig zählt und wenig bewegen kann. Hinzu kommen Vorwürfe, dass Europa an den Interessen der BürgerInnen vorbei entscheidet, beispielsweise bei den Agrarsubventionen für LandwirtInnen. Dem hält Hermann Kuhn entgegen, dass das Europäische Parlament grundsätzlich bemüht sei, sich an den Interessen der Bevölkerung aller 27 Mitgliedsstaaten zu orientieren. Dies würde aber nicht immer ohne langwierige Diskussionen, Kompromisse und Zeitverzögerungen gehen. Diese kollegiale Argumentationsarbeit findet er grundsätzlich aber sehr gut, denn nur so können Beschlüsse gefasst werden, die im Sinne aller, beziehungsweise der meisten sind. Auch die Machtaufteilung auf das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, die Europäische Kommission und nachkommende Ämter ist sinnvoll.
Sie verhindert einen Machtmissbrauch und die bloße Verfolgung von eigenen Interessen.
Auf lokaler Ebene erwartet Hermann Kuhn mehr Eigeninitiative von den Bürgerinnen und Bürgern. Seiner Meinung nach liegt es nicht nur bei den PolitikerInnen, Europa schmackhaft zu gestalten. Auch die BürgerInnen müssten sich über die EU zu Hause informieren wollen. Hermann Kuhn sieht sich also in der Rolle des Vermittlers. Durch sein Engagement versucht er Europa und das was passiert den Menschen verständlich zu machen, sie zu informieren und so Europa ein Stück näher zu bringen – ganz ohne falsche Euphorie. Aber dies kann aus seiner Sicht nur funktionieren, wenn BürgerInnen gewillt sind, aktiv auf das Thema zuzugehen.
Zusammenfassend lässt sich aus seiner Sicht heute sagen, dass die politische Bedeutung der Euuropäischen Union längst bei den BürgerInnen angekommen ist, nur von vielen noch nicht so stark wahrgenommen wird. Dies liegt an einer Fehleinschätzung bezüglich der Bedeutung, sowohl hinsichtlich der europäischen Beschlüsse, als auch der BürgerInnenmeinung, sowie an mangelndem Interesse und Eigeninitiative vieler.
Aus aktuellem Anlass wurde auch das Thema Griechenland und dessen Staatsbankrott aufgegriffen. Hermann Kuhn sprach sich deutlich für einen Kredit für das bankrotte Griechenland aus. Dies, um die Märkte der Eurozone zu stabilisieren, und so die Europäische Union dauerhaft zu stabilisieren und zu stärken. Diese Unterstützung müsse allerdings an unbedingt zu erfüllende Auflagen gebunden sein. Grundsätzlich sieht er eine Chance in dem Risiko Griechenland zu unterstützen. Die Europäische Union hat die Möglichkeit, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und Sparziele in Zukunft konsequenter durchzusetzen.

Im positiven Sinne hat die EU die Kommunikation zwischen den Nationen gefördert. Kultureller Austausch und eine gemeinsame Entwicklung tragen zu einer starken Eurozone bei. Grenzen sind Europa nach wie vor bezüglich der Verabschiedung von allgemeingültigen Gesetzen und Beschlüssen gesetzt. So sind und bleiben manche Themen nach wie vor Ländersache, beispielsweise Bildung. Hier stellt sich die Frage, inwieweit das Europäische Parlament seine Zuständigkeiten ausbauen sollten, wobei Hermann Kuhn darauf verweist, dass nicht alles in Brüssel entschieden werden sollte, damit nationale, regionale und lokale Unterschiede weiterhin Beachtung finden.
Trotz der wirtschaftlichen Krise und der damit verbundenen sozialen Problemfelder in der Gesellschaft ist Hermann Kuhn zuversichtlich, dass Europa diese Hürde meistern wird. Krise bedeutet manchmal eben auch Chancen, für Veränderungen.
Für die EU eben die, sich den BürgerInnen Stück für Stück weiter anzunähern.

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